Seit Jahrhunderten feiert die christliche Kirche die Auferstehung Jesu an einem Sonntag – drei Tage nachdem an Karfreitag Jesu Tod gedacht wurde. Die Zeitspanne von drei Tagen basiert auf vielen Bezügen im Neuen Testament. Jesus sagte es viele Male vorher und die Apostel beziehen es in ihrer Bekanntgabe des Evangeliums mit ein.
Aber warum fand Jesu Auferstehung drei Tage nach seinem Tod statt? Es scheint, als hätte er auch am ersten, zweiten oder auch vierten Tag nach seinem Tod auferstehen können und anhand der Augenzeugen wäre die Auferstehung historisch immer noch valide gewesen. Ist der dritte Tag nur ein willkürliches, unbedeutendes Detail, das der Auferstehung zugeordnet wird? Oder hat diese Zeitspanne eine Bedeutung?
Für Jesus und die Apostel hat der Zeitpunkt seiner Auferstehung eine starke, theologische Bedeutung. Die Zeitspanne von drei Tagen ist für die biblische Erzählung wichtig, denn in dieser Zeit erschafft Gott neues Leben und etabliert seinen Bund mit der Menschheit. Wie kommt es im Neuen Testament zu dieser Auffassung? Wenn man aufmerksam liest, erkennt man, dass Jesus selbst und die neutestamentlichen Autoren aus den hebräischen Schriften ein konstantes Designmuster zum „dritten Tag“ übernehmen. Wenn wir dieses Muster selbst erforschen, kann das unser Verständnis von Ostern bereichern.
Die vielleicht eindeutigsten Beispiele von Auferstehung am dritten Tag in den hebräischen Schriften finden wir in Jona 1,17 und Hosea 6,1-2. Jesus verweist auf Jonas drei Tage im Bauch des großen Fisches als eine Metapher für seine eigene Auferstehung. Hosea sprach von Gottes Auferstehungswerk für das Volk Israel, das am dritten Tag passieren sollte. Auch wenn man diese Texte in Betracht zieht, kann man das Muster der Auferstehung am dritten Tag schon früher in der Geschichte erkennen.
Man findet es bereits in drei Erzählungen ganz am Anfang: Die Schöpfungsgeschichte in Genesis 1, Abrahams Prüfung in Genesis 22 und die Israeliten am Berg Sinai in Exodus 19. Diese drei Textabschnitte entwickeln das Muster von neuem Leben weiter, das am dritten Tag entsteht.
Wo können wir einen ersten Blick auf die Bedeutung des dritten Tages bekommen? Auf Seite eins der Bibel. Die Schöpfungsgeschichte in Genesis 1 ist wie ein Gedicht geschrieben, mit sich wiederholenden Mustern und Parallelen. Im Rhythmus dieser Wiederholungen erscheinen zwei Ereignisse in der Schöpfungsgeschichte als besonders bedeutsam. Jedes von ihnen kommt in einem drei-Tage-Intervall vor. Am ersten „dritten Tag“ erschafft Gott trockenes Land und sorgt dafür, dass Pflanzen aus dem Boden wachsen, dass sie Samen hervorbringen und Bäume Früchte tragen (1, 11-13). Dieses Bild handelt von neuem Leben, das aus dem Boden sprießt – einem eigentlich toten Ort, an dem nichts existiert.
Vom zweiten „dritte Tag“- Ereignis lesen wir am sechsten Schöpfungstag, als Gott Tiere und Menschen erschafft (1,24). In Anlehnung an den ersten „dritten Tag“ steht in diesem Abschnitt, dass die Erde Lebewesen hervorbringen wird (1,24-27). Später lesen wir, dass Gott die Menschen aus dem Staub der Erde geformt hat (2,7). Und hier sehen wir wieder, wie Leben aus dem Boden erschaffen wird. Man beachte auch die Verbindung zwischen Menschen und Bäumen: beide sind neu erschaffen aus dem Boden (2,7; 9), beide bringen Samen und Frucht hervor (1,11; 28 und 3,15) und beide sind auf diese Weise am dritten Tag geschaffen. Und doch sind zwei Dinge einzigartig für die Menschen: 1) Sie sind nach Gottes Ebenbild geschaffen. Und 2) Gott geht mit den Menschen einen Bund ein, segnet sie und gibt ihnen Anweisungen.
In den Ereignissen des „dritten Tags“ in Genesis 1 finden wir drei wichtige Aspekte, die zu einem Designmuster werden:
1. Gott erschafft neues Leben, wo einst nichts, oder der Tod war (1,11-13; 26-27; 2,7).
2. Gott führt einen Bund mit den Geschöpfen ein, die er neu erschaffen hat; in diesem Fall den Menschen (1,28-29).
3. Das Ereignis findet in Eden statt, einer Anhöhe, von der ein Fluss fließt (2,10-14).
Die Bedeutung dieser Symbolik kann man nicht genug hervorheben, da sie das Modell für alle zukünftigen Auferstehungeserzählungen wird.
Wo finden wir dieses Muster noch? In einem weiteren „dritten Tag“-Ereignis wird Abraham von Gott geprüft – eine der verblüffendsten Geschichten in der ganzen Bibel (Genesis 22,1-19). Als Gott Abraham ruft, um seinen einzigen Sohn Isaak als Brandopfer auf einem Berg zu bringen, steht im Text, dass Abraham den Ort von Ferne sah. Er hielt an seinem Plan fest, diese Prüfung zu durchlaufen (22,4). In dieser Geschichte möchte Gott, dass Abraham lernt, ihm mit dem Bund und dem Segen der Nachkommen zu vertrauen. Am Ende ist es Gott, der für das Opfer sorgt und die Ziele des Bundes herbeiführt.
Die Verbindung zum Thema des „dritten Tags“ besteht hier in einem kraftvollen und anschaulichen Akt der Versöhnung durch Gott, indem er einen Widder an Isaaks Stelle als Opfer zur Verfügung stellt (Genesis 22, 13-14). Wir erfahren, dass dieses Ereignis zum großen Bundesprojekt gehört, Abrahams Nachkommen zu vermehren und durch sie die Nationen zu segnen (22,17-18). Hier sehen wir am dritten Tag das gleiche Muster wie vorher:
1. Gott schenkt neues Leben; in diesem Fall, indem Isaaks Leben verschont wird und Abraham seinen Sohn zurückbekommt (22,11-14).
2. Gott bestätigt seinen Bund mit Abraham, indem er die gleiche Sprache benutzt wie in Genesis 1,28 (22,17-18).
3. Das Ganze spielt sich auf einem Berg ab (22,2+14)
An einem Schlüsselpunkt in der biblischen Geschichte findet ein weiteres Ereignis an einem dritten Tag statt. Nachdem Gott gerade sein Volk aus einer jahrhundertelangen Unterdrückung aus Ägypten befreit hat, ist er an dem Punkt, mit Israel einen Bund einzugehen – auf einem Berg (Exodus 19,2-3). Gott macht hier deutlich, dass er am „dritten Tag“ auf den Berg Sinai herabkommen, und sich seinem Volk zeigen möchte. Genau wie bei Abraham ist dieser Moment eine Prüfung für Israel. Sie sollen sich darauf vorbereiten, mit Gott einen Bund einzugehen und am „dritten Tag“ bereit sein (Exodus 19,9-16). Dieser Abschnitt der Erzählung erwähnt den „dritten Tag“ vier mal und stellt damit sicher, dass uns ganz klar und bewusst ist, dass dieses bedeutsame Ereignis an Gottes besonderem Tag stattfinden wird.
Ausgehend von allem, was wir bisher in Bezug auf den „dritten Tag“ gelesen haben, sollten wir von einem bestimmten Muster ausgehen. Und hier sehen wir es wieder:
1. Gott schenkt neues Leben für sein Volk – in diesem Fall in Form einer neuen Identität für Israel – so wie bei der Schöpfung, bei Abraham und Isaak (19,4-6).
2. Gott geht einen Bund mit seinem Volk ein, nämlich Israel (19,4-6).
3. All das vollbringt Gott auf einem Berg (19,2).
Und das sehen wir in der Erzählung! Und trotzdem ist der Rest von Israels Geschichte in der hebräischen Bibel leider gekennzeichnet von Rebellion, Unglaube und der Unfähigkeit, ihren Teil des Bundes einzuhalten. Das führt uns wieder zu den Textabschnitten der prophetischen Bücher von Hosea und Jona, die den dritten Tag erwähnen.
Wenn wir uns nun diesen Propheten zuwenden, haben wir ein besseres Verständnis für den „dritten Tag“ und seine kraftvolle Symbolik der Auferstehung, genau wie seine Verbindung zu Gottes Bund. Hosea ruft Israel auf „zum Herrn zurückzukehren“, was typische, prophetische Sprache für Buße und ein Aufruf zur Bundestreue ist. Und der Gebrauch von Begriffen der Wiederauferstehung gibt Hoffnung (Hosea 6,1-2). Wenn wir bei diesem Muster bleiben, bedeutet diese Umkehr zurück zum Bund ein erneuertes Leben, eine Wiederauferstehung als Volk in das Leben Jesu. Und dieses Leben wird am „dritten Tag“ bringen.
Mit Jona lernen wir einen Propheten kennen, der selbst darin versagt, Gott zu gehorchen. Deshalb erlebt er den „Tod“ in einem ganz eigentümlichen „Grab“ – einem riesigen Fisch. Auf verschiedene Weise repräsentieren Jona und sein Versagen das gleiche Versagen des Volkes Israel. Und trotzdem gibt Gott weder ihn noch sein Volk auf. Er gibt Jona nach drei Tagen ein neues Leben, indem er ihn vom Fisch ausspucken lässt – die ungewöhnlichste „Auferstehung“ in der Bibel.
In den Evangelien lesen wir, wie Jesus von einer Auferstehung am dritten Tag spricht, als er sich mit den Jüngern über seinen Tod unterhält. Die „drei Tage“ nennt er dabei immer und immer wieder. Mittlerweile erkennst du, dass diese Hervorhebung nicht willkürlich ist. Der dritte Tag war Jesus sehr wichtig, da er für Gottes Entschluss steht, neues Leben zu schaffen und einen Bund mit der Menschheit zu
gründen. Schauen wir uns an, wie Ostern – also Jesu Auferstehung – in das Muster des dritten Tags passt:
1. Gott lässt neues Leben aus dem Grund (Grab) wiederauferstehen; in diesem Fall Jesus.
2. Gott schenkt durch den erlösenden Tod und die Auferstehung von Jesus einen neuen Bund; in diesem Fall allen, die glauben.
3. Jesu Erlösungsakt findet auf einem Berg statt.
Die Symbolik von neuem Leben, das sich am dritten Tag aus dem Boden erhebt (Genesis 1-2) und die Verbindung zum göttlichen Bund in den hebräischen Schriften geben uns ein ergreifendes Bild davon, was Jesu Auferstehung theologisch bedeutet. Durch den „dritten Tag“ ist die Auferstehung an sich noch viel bedeutsamer. Dieser Tag ist der Höhepunkt in Gottes Projekt für neues Leben und einen neuen Bund; von der Schöpfung an in wunderschönen Bildern dargestellt. Das große Finale wird die Auferstehung von Jesu Nachfolgern und der Wiederherstellung des gesamten Universums sein.
Wenn wir die Auferstehung Jesu am Ostersonntag feiern, folgen wir nicht nur einer geschichtlichen Tradition. Sondern wir nehmen teil an einer bedeutungsvollen Theologie rund um den „dritten Tag“, mit all seinen Andeutungen auf Gottes Mission unserer Erlösung. Das Designmuster des dritten Tags ist eine Erinnerung: Gott hat den Prozess der menschlichen Auferstehung zu neuem Leben begonnen und holt diese Menschen in eine neue Bundesbeziehung. Wie wirst du heute daran teilhaben?
Originaltext von Derek Hiebert
Übersetzung von Julia Pfeifer
Du möchtest auf dem Laufenden bleiben und bei Neuigkeiten zu BibleProject informiert werden?