Frau Weisheit sagt, dass ihre Frucht besser als feines Gold ist (Sprüche 8,19). Diejenigen, die sorgfältig auf sie hören und sie achten, sind gesegnet (Sprüche 8,34). Alle, die sie finden, finden das Leben. Und alle, die sie hassen, lieben den Tod (Sprüche 8,36). Aber manchmal sagen uns unsere Wünsche und Sehnsüchte etwas anderes. Wie können wir darauf vertrauen, dass Weisheit uns zum Guten führt?
Um eine erste Antwort auf diese Frage zu finden, können wir uns anschauen, wie die biblischen Autoren absichtlich literarische Gestaltungsmuster und Wortwiederholungen wie „sehen“, „nehmen“ und „geben“ verwenden, um auf Eva anzuspielen, als sie die Frucht „sah“, sie „nahm“ und sie Adam „gab“ (Genesis 3,6).
Dadurch erkennen wir, dass Gott allen Menschen die Wahl lässt, ihrer eigenen Weisheit oder Gottes Weisheit zu vertrauen. Das ist ein wiederholtes Muster, dass uns in der Geschichte der Bibel begegnet. Schauen wir uns eines dieser Beispiele an: Die Geschichte von Abraham und Sarah.
Gott berief Abraham und Sarah dazu, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren. Sie waren auserwählt, eine königliche Familie zu sein, die wachsen und damit zum Segen für alle Völker werden sollte (Genesis 17,1-6). Zu diesem Zweck versprach Gott Abraham und Sarah einen Sohn. Doch nach Jahren des Wartens beschloss Sarah, nach ihrem eigenen Verständnis zu handeln. Sie „nahm“ ihre Magd Hagar und „gab“ sie Abraham (Genesis 16,3). Als Hagar „sah“, dass sie ein Kind empfing, entwickelte sich ihre Beziehung zu Sarah zum Negativen: Sie war geprägt von Vorwürfen, Hass und Misstrauen (Genesis 16,4-5).
Es wurde nur noch schlimmer, als Sarah weiterhin so gegen Hagar vorging, wie es ihr gefiel (Genesis 16,6). Klingt vertraut? Genau wie Adam und Eva trafen Abraham und Sarah diese Entscheidungen nach ihrem eigenen Verständnis davon, was gut und weise war.
Glücklicherweise endete ihre Geschichte damit nicht. Gott schenkte Abraham und Sarah einen Sohn, Isaak, und versprach, durch seine Nachkommen alle Völker zu segnen (Genesis 21,12). Aber ein paar Kapitel später erfahren wir, dass Gott Abraham prüfte, indem er ihn dazu aufforderte, seinen Sohn Isaak zu „nehmen“ und ihn zu opfern (Genesis 22,1-2). Was passiert hier? Der Autor des Hebräerbriefs erzählt uns, dass Abraham davon überzeugt war, dass man Gottes Motiven vertrauen konnte. Abraham kam zu dem Schluss, dass Gottes Gebot, Isaak zu opfern, die Erfüllung von Gottes ursprünglichem Versprechen nicht behindern würde. Denn Gott hatte versprochen, dass Abrahams Nachkommenschaft durch Isaak kommen würde. Abraham glaubte daran, dass Gott einen Weg finden würde, selbst wenn er Isaak von den Toten auferwecken müsste (Hebräer 11,17-19).
Bis zum heutigen Tag ist Abrahams Vertrauen in Gottes Auferstehungsmacht die gleiche Art von Vertrauen, die dazu beiträgt, Adams und Evas tödliche Entscheidung rückgängig zu machen. Und nur für den Fall, dass wir die spiegelnde Wirkung dieses Vergleichs übersehen haben, gibt der Autor von Genesis uns Hinweise durch wiederholte Sprache aus Genesis 3. Abraham „nahm“ zum Beispiel seinen Sohn und „sah“ den Ort, an dem er ihn am dritten Tag opfern sollte. Er „nahm“ das Holz für das Opfer und glaubte, dass Gott ein anderes Opfer bereitstellen würde. Er „nahm“ das Messer, um seinen einzigen Sohn zu opfern. Und nachdem Gott ihn noch rechtzeitig aufhielt, schaute Abraham auf und „sah“ den Widder, den Gott zur Verfügung stellte. Was bedeutet das?
Diese Beobachtungen lehren uns, dass es zwei Arten von „Sehen“ und „Nehmen“ gibt. Eva sah eine Realität, die Gottes Anweisungen zu widersprechen schien. Also nahm sie die Dinge entgegen Gottes Rat selbst in die Hand. Aber Abraham hörte auf Gott. Er glaubte, dass Gott ihn zum Leben führen würde, auch wenn das einen Umweg über den Tod bedeutete. So nahm er seinen geliebten Sohn und folgte Gottes Rat. Beide Perspektiven waren begrenzt, und beide erforderten Vertrauen in Gott oder in sich selbst. Beide Optionen schienen zu einem Zeitpunkt tödlich zu sein, aber nur ein Weg führte zum Leben. Jesus drückte es so aus: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben meinetwegen verliert, der wird es retten.“ (Lukas 9,24).
Jesu Weisheit führt zu Leben und Freude
Frau Weisheit ist ein personifiziertes Bild für Gottes unendliches Verständnis. Diese Redewendung lehrt uns, dass weise zu sein bedeutet, in einer vertrauensvollen Beziehung zu Gott zu stehen. Und wenn wir die Geschichte der Bibel weiterlesen, wird die bildliche Sprache zur Realität. Denn Gottes Weisheit nimmt einen physischen Körper an. Jesus ist die Verkörperung der Weisheit (1.Korinther 1,30).
Alle Weisheit und alles Verständnis sind in ihm verborgen (Kolosser 2,2-3). Und wie Frau Weisheit sagt, finden diejenigen, die Jesus finden, das Leben in Fülle (Johannes 14,6; Johannes 10,10).
Aber all das ist schwer zu erkennen, wenn das Leben hart ist und die Ressourcen knapp sind. Um uns zu helfen, schenkt Jesus uns sich selbst. In der Nacht vor seiner Kreuzigung „nahm“ Jesus das Brot des Passahfestes und „gab“ es seinen Jüngern. Er erklärte, dass das Brot ein Symbol für seinen für sie gebrochenen Leib sei. Eva nahm die verbotene Frucht und gab sie Adam, was zum Tod führte. Jesus aber nahm ein Kreuz auf sich und gab sich selbst für uns, was zum Leben führte. Er ist auferstanden und in den Himmel aufgefahren, um uns Zugang zu einer innigen Beziehung mit seinem Geist der Weisheit zu geben (Kolosser 2,2-10; Epheser 1,17). Wenn wir unsere eigenen Wege verlassen, um Jesus zu folgen, führt uns seine Weisheit durch jede Prüfung und ins Leben (Jakobus 1,2-16). Jesus gibt uns sich selbst. Und je länger wir mit ihm gehen, desto mehr erkennen wir, dass seine weise Gesellschaft die höchste Freude des Lebens ist.
Original von Tim Mackie & Whitney Woollard
Übersetzung von Julia Pfeifer