Was ist das Schma?

Das Schma bezieht sich auf ein paar Zeilen im Buch Deuteronomium (6,4-5), die zu einem täglichen Gebet in der antiken israelitischen Tradition wurden.

Gott zuhören und lieben lernen

 

Das Schma bezieht sich auf ein paar Zeilen im Buch Deuteronomium (6,4-5), die zu einem täglichen Gebet in der antiken israelitischen Tradition wurden. Es erinnert an das Vaterunser in der christlichen Tradition.

Das Schma hat seinen Namen vom ersten hebräischen Wort des Gebets in Deuteronomium 6,4 „Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein!“ Das deutsche Wort „hören“ entspricht dem hebräischen Wort „schma“. Im traditionellen jüdischen Gebetsbrauch wurden diese Zeilen aus Deuteronomium 6,4-5 mit anderen Abschnitten aus der Tora (Deuteronomium 11,13-21 und Numeri 15,37-41) kombiniert und immer morgens und abends gebetet. Dieses Gebet ist eine der einflussreichsten Traditionen in der jüdischen Geschichte. Es ist wie ein Treueschwur und ein Lobgesang in einem.

Das Schma erscheint im ersten Abschnitt des Deuteronomiums. Dieser Abschnitt ist eine Sammlung von Reden, die Mose zugeschrieben werden, bevor die nächste Generation Israels das verheißene Land betrat. Mose fordert seine Zuhörer mit weisen, aber auch warnenden Worten heraus, denn er will verhindern, dass sie die Fehler ihrer Vorfahren wiederholen. Er lädt sie ein, auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit mit Liebe, Treue und Gehorsam zu antworten. Das Buch ist in drei große Abschnitte aufgeteilt, wie du auch in unserem Video zu Deuteronomium sehen kannst.

In diesem Blog konzentrieren wir uns auf einen kurzen Abschnitt in Deuteronomium 6 (das „Schma“). Es ist das Herzstück im ersten Abschnitt von Moses Reden an das Volk.

Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.
(Deuteronomium 6,4-5)

 

Übersetzung des Schmas

 

Bibel Nerds aufgepasst: Dieser Teil wird euch gefallen. Aber seid gewarnt: Es ist kompliziert! Seit der Antike herrscht eine Debatte darüber, wie man das Schma genau übersetzt und auslegt; angefeuert durch die Mehrdeutigkeit in der Grammatik der Hauptsätze. Es gibt im alten Hebräisch kein Äquivalent im Präsens, das dem deutschen Verb „ist“ entspricht. Es gibt ein Wort für „war“ (Hebr. hayah) und „wird sein“ (Hebr. yihyeh). Aber für „ist“ gibt es nichts. Es werden eher zwei Wörter nebeneinandergesetzt und das Wort „ist“ wird geschlussfolgert.

Zum Beispiel:

Deutsch: „Das Auto ist rot.“
Althebräisch: „Das Auto rot.“

Die Israeliten der Antike hatten offensichtlich eine Vorstellung von dem Verb „ist“, aber sie benutzten einfach kein Wort dafür, um es in ihrer Sprache auszudrücken. Stattdessen benutzten sie dieses grammatische Hilfsmittel, indem sie zwei Wörter nebeneinander schrieben (Nerds in hebräischer Grammatik nennen das Nominalphrase).

Das Problem in der Übersetzung und Auslegung des Schmas kommt von der Tatsache, dass es aus zwei aufeinanderfolgenden Sätzen besteht, in denen das Wort „ist“ fehlt. Im Hebräischen besteht das Gebet aus vier aufeinanderfolgenden Nomen.

Hebräisch: JHWH ‘elohenu JHWH echad
Deutsch: HERR unser Gott HERR allein

Wir haben also diese vier Wörter und je nach dem, wo man das Wort „ist“ platziert, bekommt man unterschiedliche Sätze.

1. Der HERR unser Gott ist allein HERR.
2. Der HERR ist unser Gott, der HERR allein.
3. Der HERR unser Gott, der HERR ist eins.

Am Ende ist der Unterschied zwischen diesen Varianten gar nicht so drastisch, aber jede hat einen anderen Schwerpunkt. Ist die Aussage, dass Gott einer ist und nicht viele (#1 oder 3), oder liegt der Schwerpunkt darauf, dass der HERR unser Gott ist (#2)? Besagt das Schma, dass Israels Gott eins ist, oder hebt es hervor, dass allein der HERR Israels Gott ist und niemand sonst?

Die zweite Deutung scheint viel besser in den übergeordneten Kontext von Deuteronomium zu passen. In anderen Worten: Das Schma versucht keine philosophische Stellungnahme über Gottes Wesen zu sein (also, dass Gott „eins“ ist). Das Schma ist eher ein Treueschwur zum Gott Israels und schließt damit die Treue zu anderen Göttern aus.

 

Polytheistische Bedrohung

 

Das wird alles mehr Sinn machen, wenn du Deuteronomium weiterliest. Die Israeliten finden sich seit Generationen inmitten polytheistischer Kulturen wieder. Von ihren Wurzeln in Kanaan, über die langen Jahre in Ägypten bis zu ihrer Reise durch kanaanitisches Gebiet in der Wüste; ständig waren sie umgeben von Menschen, die viele verschiedene Götter anbeteten. Mose glaubt ganz klar, dass Loyalität, Gehorsam und Liebe zu ihrem einen, wahren Gott der einzige Weg zum Leben ist.

Eine der größten Bedrohungen für Israels Zukunft war ein Aufteilen ihrer Treue auf verschiedene Götter. Und so ist das Schma eine tägliche Erinnerung, „der HERR ist unser Gott, der HERR allein“. Das Gebet geht an dieser Stelle weiter und zeigt, wie wertvoll es ist, diese Überzeugung an spätere Generationen weiterzugeben, um ihnen die tragischen Folgen der Götzenanbetung zu ersparen.

Schärft sie euren Kindern ein. Sprecht über sie, wenn ihr zu Hause oder unterwegs seid, wenn ihr euch hinlegt oder wenn ihr aufsteht.
(Deuteronomium 6,7)

 

Bedeutung des Schmas

 

Die Anfangszeile „Höre, Israel“ bedeutet nicht einfach nur, Schallwellen in deine Ohren zu lassen. Das Wort „hören“ bedeutet hier auch, die Wörter aufzunehmen, zu verstehen und entsprechend zu antworten. Oder anders gesagt sind im Hebräischen „hören“ und „tun“ im Grunde das Gleiche. Aber wie sollte Israel darauf reagieren, dass es hörte, der HERR allein ist ihr Gott? „Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben.“ In diesem Zusammenhang ist Liebe nicht einfach die warme, verschwommene, emotionale Energie, die wir spüren, wenn wir jemanden mögen.

In der Bibel ist Liebe Handeln. Du liebst jemanden, wenn du in Loyalität und Treue handelst. Für Israel bedeutete Lieben den treuen Gehorsam zu den Bedingungen ihrer Bundesbeziehung. Diese Bedingungen sind die Gesetze und Anweisungen, die den Hauptteil des Buchs bilden (Deuteronomium 12-26).

Gehorsam gegenüber diesen Geboten bedeutete nie Gesetzlichkeit und es ging nicht darum, Gottes Gunst zu gewinnen. Im Alten Testament geht es beim Gehorsam um Liebe und Zuhören. Wenn ein Israelit Gott liebt, ist es einfacher, seiner Führung und seinen Lehren zuzuhören und sie anzunehmen. Deswegen sind die Begriffe „hören“ und „lieben“ so stark miteinander verbunden und in diesen Reden in Deuteronomium so häufig wiederholt.

 

Der Gebrauch des Schmas im Neuen Testament

 

Wie bereits oben erwähnt, wurde das Schma im Judentum ein Gebet, das zweimal täglich gesprochen wurde. Es wurde während der Zeit des zweiten Tempels weithin gebetet und Jesus selbst betete es von klein auf. Dieses Gebet hat ihn geprägt und er zog es für seine Lehren heran. Einmal wurde er gefragt, welches Gebot der Tora das wichtigste war:

Jesus antwortete: »Das wichtigste Gebot ist dies: ‚Höre, o Israel! Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben.‘ Das zweite ist ebenso wichtig: ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.« (Markus 12,29-31)

In der Offenbarung stützt sich Johannes auf dieses Gebet um die Nachfolger Jesu zu beschreiben. Im Zusammenhang mit dem Schma steht in Deuteronomium 6,8 „Bindet sie zur Erinnerung um eure Hand und tragt sie an eurer Stirn“. Die physische Verortung „um eure Hand“ und „an eurer Stirn“ hat eine sehr offensichtliche Bedeutung. Mit deinen Augen siehst du und deine Hände benutzt du für fast alles, das du tust. Dieses Gebet sollte die Vision und das Handeln in jedem Moment deines Lebens leiten. Deswegen sagte der Visionär Johannes mit Blick auf die neue Schöpfung, wenn Gottes Volk in unmittelbarer Nähe zu Gott und dem auferstandenen Jesus lebt:

Und sie werden sein Gesicht sehen, und sein Name wird auf ihren Stirnen geschrieben stehen. (Offenbarung 22,4)

Dies steht im Gegensatz zu Menschen, die den Weg Jesu ablehnen. Sie haben anderen Mächten ihre Treue geschworen, die sie vernichten wollen (in Offenbarung 13 werden sie als „Tiere“ beschrieben). Johannes griff auch auf das Schma zurück, um das Leben eines Menschen auf dem Weg der Zerstörung zu schildern:

Und das zweite Tier verlangte, dass jeder – ob groß oder klein, reich oder arm, Freier oder Sklave – sich ein Zeichen auf die rechte Hand oder auf die Stirn prägen ließ.
(Offenbarung 13,16)

Für Johannes ist es eine klare Entscheidung. Entweder schenkst du Jesus deine Treue und lässt zu, dass er deine Sichtweisen und dein Handeln beeinflusst. Oder deine Treue gehört zerstörerischen Mächten, die dann auch deine Sichtweisen und dein Handeln im Leben bestimmen werden. Der eine Weg führt zum Leben und der andere zum Tod. All diese Vorstellungen und Bilder stammen aus Moses Worten im Deuteronomium, insbesondere aus dem Schma.

 

Das Schma für Christen

 

Das Schma ist ein wunderschönes Gebet und es gibt einen Grund, warum Gottes Volk seit Jahrtausenden diese Worte betet. Diese einfachen Worte haben die Macht, den Verlauf eines ganzen Lebens neu zu gestalten. Das Schma kann Gottes Liebe und Treue bei dir in den Vordergrund rücken und dich zum Gehorsam bewegen; nicht aus einer Verpflichtung heraus, sondern aus Liebe. Jesu Worte im Johannesevangelium sind offensichtlich vom Schma abgeleitet:

Wer meine Gebote kennt und sie befolgt, der liebt mich. Und weil er mich liebt, wird mein Vater ihn lieben und ich werde ihn lieben. Und ich werde mich ihm persönlich zu erkennen geben.
(Johannes 14,21)

Und bedenke, wessen Liebe diese ganze Kettenreaktion der Liebe, die zum Gehorsam führt, ausgelöst hat.
Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.
(1. Johannes 4,19)

Letztlich geht es bei der Nachfolge Jesu um die Liebe. Liebe, die zu uns kam, als wir nicht nach ihr suchten. Und wenn wir diese Liebe empfangen, erzeugt sie Dankbarkeit, Demut und die Verpflichtung, sie zu ehren und zu erwidern. Liebe gebiert mehr Liebe, die zu Treue und Gehorsam führt. Dies sind Wahrheiten, die uns von innen heraus verändern können. Kannst du dir einen besseren Weg vorstellen, das nie zu vergessen, als das Schma auswendig zu lernen und es zweimal am Tag zu beten? Vielleicht solltest du heute damit anfangen.

Im Original von Tim Mackie
Übersetzung von Julia Pfeifer

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