Als die Israeliten endlich Ägypten verlassen, treffen sie Gott an demselben Ort, an dem er Mose zum ersten Mal begegnete – auf dem Berg Sinai (Exodus 3). Am Sinai lädt Gott das gesamte Volk Israel in ein neues Eden ein, wo sie als Königreich von Priestern in seiner Gegenwart leben und arbeiten werden.
Mose und die glänzenden königlichen Priester
An einem entscheidenden Punkt der Exodus-Erzählung steigt Mose auf den Berg Sinai, wo Gott ihn am siebten Tag zu sich ruft.
Als Mose auf den Berg stieg, war dieser von der Wolke verhüllt. Die Herrlichkeit Jahwes ließ sich auf den Berg Sinai herab. Sechs Tage lang bedeckte die Wolke den Berg. Dann, am siebten Tag, rief Gott Mose aus der Wolke heraus zu sich. Für die Israeliten sah die Herrlichkeit Jahwes wie ein rasendes Feuer aus, das auf dem Gipfel loderte. Jetzt ging Mose in die Wolke hinein und stieg auf den Berg. 40 Tage und 40 Nächte blieb er dort. (Exodus 24,15-18)
Wir lesen, dass die Gewänder der Priester aus weißem Material bestehen und mit Gold und Juwelen verziert sind, von denen viele nur in der Eden-Erzählung und in der Beschreibung des neuen Himmels und der neuen Erde durch Johannes in der Offenbarung vorkommen (Genesis 2,12; Offenbarung 21,19). Die priesterliche Kleidung darf nur getragen werden, wenn die Priester ihre Rolle als „Adam und Eva“ im Mikro-Eden der Stiftshütte ausfüllen. Die Kleidung ist ein Symbol, das an die Erzählung von Eden und die ideale Rolle der Menschheit erinnert. Die Priester sollten den neuen Adam (hebräisch für „Menschheit“) repräsentieren – glänzende, königliche, priesterliche Menschen, die durch Gebet und Opfer den Raum Eden betreten.
Das Scheitern der strahlenden Priester
Leider dauert es nicht lange, bis auch dieser neue Adam rebelliert. Während Gott Mose auf dem Berg Anweisungen für die Priester gibt, versagt Aaron, der erste Priester Israels, bereits bei seinen Aufgaben. In diesen vierzig Tagen fertigt Aaron ein Götzenbild an, das die Israeliten anbeten können (Exodus 32).
An dieser Stelle hat der Autor des Buches Exodus eine Gegenüberstellung eingearbeitet. Es ist die Aufgabe der Priester, Gottes Schönheit und Herrlichkeit in einem Mikro-Eden aufzuzeigen, aber Israels Priestertum ist kompromittiert (Exodus 32-34; Levitikus 10; 1. Samuel 1-4), und zwar von Anfang an (Exodus 3-4, 5-11).
Auf dem Höhepunkt der Geschichte bietet Mose sein eigenes Leben anstelle des sündigen Volkes an und nennt dies einen Akt der „Sühne“ (Hebräisch kipper, כפר), der die Sünden des Volkes deckt (Exodus 32,31-32). Diese Szene ist von entscheidender Bedeutung, denn wir sehen, wie Mose persönlich das tut, was der eingesetzte Hohepriester in der Stiftshütte eigentlich tun sollte.
Obwohl das Priestertum Aarons von Anfang an kompromittiert und götzendienerisch war, sehen wir hier, wie Mose das wahre und ultimative Bild der priesterlichen Rolle vermittelt – indem er für das rebellische Volk eintritt. Aber Mose tut dies, indem er sein eigenes Leben anstelle des Volkes opfert. Es gibt also sowohl ein Scheitern des Priestertums als auch die Hoffnung, wie es in der Zukunft vielleicht noch aussehen könnte.
Im späteren Verlauf des Textes begegnet Mose der Herrlichkeit Gottes und sein unverhülltes Gesicht wird als „leuchtend“ und „strahlend“ beschrieben; als ob es Lichtstrahlen (Hebräisch qaran, קֶ֫רֶן) aussendet (Exodus 34,29). In dem Moment, in dem Mose leuchtet, sich für das Volk einsetzt und sein Leben für das des Volkes opfert, bekommen wir einen Eindruck davon, dass Mose genau der ist, zu dem Gott ihn berufen hat: ein leuchtender, priesterlicher Fürsprecher.
Die hebräische Bibel gibt uns einen Hinweis auf das, was vor uns liegt: Das königliche Priestertum Aarons ist von Anfang an dem Untergang geweiht. Aber es bleibt die Hoffnung auf einen zukünftigen strahlenden Priester, der den Segen Edens für die Menschheit wieder freisetzen wird.
Jesus, der große, strahlende Hohepriester
Dies alles führt zu einer Schlüsselszene im Bericht des Matthäusevangeliums, in der Jesus als strahlender Priester auf einem Berg erscheint. Diese Szene ist bekannt als die Verklärung.
Als Jesus auf dem Berg verklärt (Griechisch metamorphoō) wird, leuchtet sein Gesicht und seine Kleider werden so weiß wie das Licht (Matthäus 17,2). Jesu strahlendes Gesicht erinnert an Mose in Exodus 34,29-35, und die Gewänder, die weiß wie das Licht sind, erinnern an die glänzenden priesterlichen Gewänder in Exodus 28. Die Tatsache, dass die priesterlichen Gewänder als glänzend beschrieben werden, ist bedeutsam – sie sind Teil des unverdorbenen Ebenbildes Gottes, des idealen Menschen.
Der Autor des Hebräerbriefs beschreibt Jesus als einen größeren Mose (Hebräer 3,3). Und als ein größerer Mose lebt Jesus, der strahlende königliche Priester, um für sein Volk einzutreten (Hebräer 7,25). Und im größten Akt der Liebe hat er sein Leben als Opfer für das Volk hingegeben (Hebräer 7,27).
Künftige strahlende, königliche Priester
Und nun können die Nachfolger Jesu mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des HERRN widerspiegeln (2. Korinther 3,18). Die Nachfolger Jesu können sich Gott aufgrund des priesterlichen Wirkens Jesu in Vertrauen und Freiheit nähern (Hebräer 4,16). Indem wir Gottes Herrlichkeit betrachten, können auch wir beginnen, wie Lichter (griech. phōstēres) zu leuchten (Philipper 2,15). Auch wir werden verwandelt (griechisch: metamorphoō, 2. Korinther 3,18).
Genau das war von Anfang an Gottes Plan, sogar am Berg Sinai, als Gott den Israeliten erschien und sie einlud, „ein Königreich von Priestern“ zu werden (Exodus 19,6). Diese Einladung geht zurück auf die Erschaffung von Adam und Eva und ihre ursprüngliche Rolle im Garten Eden, wo sie im Namen anderer Menschen mit Gott in Beziehung traten und seinen Charakter durch Liebe, Mitgefühl, Großzügigkeit und Gerechtigkeit widerspiegelten. Und dieselbe Einladung ergeht nun durch Jesus an die gesamte Menschheit (1. Petrus 2,9).
In Jesus werden wir eines Tages unseren Körper der neuen Schöpfung als unverfälschtes Ebenbild anziehen (1. Korinther 15,50-56). Und der neue Himmel und die neue Erde werden die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln wie das Licht (griech. phōstēr) eines Juwels (Offenbarung 21,9b-11). Und wir werden endlich das sein, wozu wir geschaffen wurden – ein strahlendes königliches Reich von Priestern.
Original von Shara Drimalla & BibleProject Team
Übersetzung von Julia Pfeifer