Salomo: Ihn lieben oder hassen?

Eine Geschichte über Weisheit, Reichtum und jede Menge Frauen

König Salomo ist einer der bekannteren Könige des alten Israel. Er war der zweite Sohn von David und Bathseba und erweiterte Israels Grenzen und Wirtschaft mehr als jeder andere König in der Geschichte Israels.

Die Geschichte Salomos (sein Name wird auf Hebräisch Shlomo ausgesprochen) findest du in 1. Könige 1-11. Sein Name leitet sich von dem hebräischen Wort für „Frieden“ (sprich: Schalom) ab, und tatsächlich ist der Frieden eines der Dinge, für die er in Erinnerung geblieben ist. Während der meisten Zeit seiner Herrschaft gab es keine größeren Kriege. Die biblischen Autoren blicken auf diese Zeit als eine Periode des Überflusses zurück:

„Solange Salomo lebte, ging es Juda und Israel gut. Von Dan bis Beerscheba konnte jeder ungestört unter seinem Weinstock und Feigenbaum sitzen.“
1. Könige 5,5

Salomo muss ein erstaunlicher König gewesen sein, wenn Gott seine Herrschaft mit solchem Reichtum und Frieden gesegnet hat, oder? Das könnte man meinen, denn viele Geschichten über ihn rühmen seine Weisheit, seinen Reichtum und die enorme Größe seines Königreiches. Doch hinter der glorreichen Herrschaft Salomos steckt mehr als man auf den ersten Blick sieht. Viel mehr, um genau zu sein.

Die Geschichte Salomos ist ein perfektes Beispiel für die brillante Raffinesse der biblischen Autoren. Anstatt zu sagen: „Der und der war wirklich erstaunlich, und er hat in den Augen Gottes alles richtig gemacht“, präsentieren sie uns häufiger einfach die Entscheidungen einer biblischen Figur und zeigen uns dann das Ergebnis. Anstatt es mit einer ordentlichen moralischen Zusammenfassung abzuschließen, wird es uns überlassen, darüber nachzudenken, was an der Figur gut war und was fehlte.

 

Wie alles begann

Die Geschichte Salomos beginnt mit David auf dem Sterbebett, der Salomo einen letzten Auftrag erteilt, dem Bund zwischen Gott und Israel treu zu bleiben (1. Könige 2,1-4). Bald darauf heißt es: „Salomo liebte Jahwe und richtete sich nach den Anordnungen seines Vaters David“ (1. Könige 3,3), aber das geschieht erst, nachdem wir erfahren haben, dass er „Schwiegersohn des Pharao, des Königs von Ägypten” wurde und „dessen Tochter zur Frau“ nahm und „sie in der Davidsstadt wohnen“ ließ (1. Könige 3,1). Wie bitte? Das kann doch unmöglich eine gute Idee sein, oder?! Wie kann Salomo so etwas tun und dann vom Erzähler gelobt werden, dass er den HERRN liebt? Naja, vielleicht gelingt es ihm ja, dem Gott Israels die Treue zu halten und gleichzeitig ein Heiratsbündnis mit Ägypten auszuhandeln (vielleicht haben die Ägypter sich ja auch verändert, seit sie Israel über 400 Jahre versklavt hatten)… .

Aber das wage ich zu bezweifeln.

Dann hat Salomo einen Traum (1. Könige 3,5-15), in dem Gott ihm alles anbietet, was er will. Was für ein Angebot! Er bittet nicht um Geld oder Macht, sondern um Weisheit, damit er das Volk Israel anständig regieren kann. Gott ist so erfreut über diese Antwort, dass er ihm Weisheit in Hülle und Fülle gibt, und dazu noch Reichtum und Macht. In diesem Zusammenhang steht die berühmte – und merkwürdige – Geschichte von den beiden Frauen, die zu Salomo kommen und jeweils behaupten, die Mutter eines bestimmten Kindes zu sein (1. Könige 3,16-28). Das ist eine Darstellung seiner Weisheit; er ist ein Mann, der unter die Oberfläche sehen und die Motive und den Charakter der Menschen erkennen kann.

Wow, ich schätze, ich habe mich in Salomo getäuscht. Dieser Typ ist echt in Ordnung.

Als Nächstes folgt eine Liste von Salomos Beamten (1. Könige 4), was durchaus Sinn ergibt. Wenn er das Königreich ausbauen will, braucht er ein solides, zentralisiertes Regierungsteam. Wir lesen also die Liste und stoßen auf einen gewissen „Adoniram Ben-Abda als Beauftragter für die Zwangsarbeit“ (1. Könige 4,6). Einen Moment, bitte was?! Zwangsarbeit? Unter den Israeliten? Ich dachte, Sklaverei sei eine Sache der Vergangenheit Israels, die in Ägypten zurückgelassen wurde, etwas, das ein Israelit niemals einem anderen antun sollte? Aber hier steht, dass Salomo die Israeliten zur Zwangsarbeit verpflichtet (das hebräische Wort ist mas, dasselbe Wort, das die Versklavung der Israeliten durch die Ägypter beschreibt, siehe Exodus 1,11). Wir sind uns nicht sicher, was wir davon halten sollen, aber wir sehen schnell die Früchte dieser Arbeit: Alle sind glücklich in Israel, essen und trinken (1. Könige 4,20), und genießen die Vorteile der großen Steuerabgaben, die von Israels Nachbarn kommen (1. Könige 5,1). Mit all dem Geld konnte Salomo die königlichen Bediensteten mit fetten Rindern, Schafen, Hirschen, Gazellen, Rehböcken und erlesenem Geflügel versorgen (1. Könige 5,2-3). Er hatte viertausend Ställe für seine Wagenpferde und zwölftausend Pferde (1. Könige 5,6). Ich schätze, das alles braucht er, wenn er ein stehendes Heer haben will, um diese riesigen Grenzen zu schützen… .

Gottes Haus und Salomos Haus

Salomo ist wahrscheinlich am besten dafür bekannt, dass er den Bau des Tempels in Jerusalem förderte und überwachte (1. Könige 6-8). Vieles in diesem Abschnitt liest sich ähnlich wie die detaillierten Baupläne für die heilige Stiftshütte, die zur Zeit Moses gebaut wurde (siehe Exodus 25-31). Es ist großartig, dass Gott unter seinem Volk in einem kunstvollen und verzierten Gebäude wohnt. Und dieses Gebäude ist absolut überwältigend. Zum Beispiel war das „Allerheiligste“ in der Stiftshütte ein perfekter Würfel (10 Ellen im Quadrat), aber das von Salomo war doppelt so groß (20 Ellen im Quadrat! Siehe 1. Könige 6,20). Er ließ zwei weitere riesige, goldene Cherubim anfertigen, die die beiden, die bereits auf der Bundeslade waren, überschatteten (1. Könige 6,23-28). Dieser Raum war so gewaltig und beeindruckend; das alles muss zur Verehrung Gottes gedient haben. Am Ende des Bauberichts heißt es, dass Salomo ganze sieben Jahre mit dem Bau des Tempels zubrachte (1. Könige 6,38).

Das ist eine ganze Menge Zeit. Dann lesen wir aber den nächsten Satz:

„An seiner eigenen Palastanlage baute Salomo 13 Jahre, bis alles fertig war.“ 
1. Könige 7,1

Wie soll man eine solche Aussage verstehen? Ist es einfach eine Feststellung von Tatsachen, ohne Wertung? Oder ist es eine subtile Kritik, die aufzeigt, dass Salomos Weisheit nur oberflächlich war und dass sein Ego zusammen mit seinem Reich wächst? Du musst weiter lesen… .

Salomo baut seinen gewaltigen Palast und zusätzlich einen Palast für die Tochter des Pharaos (1. Könige 7,1-12) – vergiss sie nicht. Dann richtet Salomo den Tempel ein (1. Könige 7-8) und weiht die gesamte Anlage ein – mit einem schönen Gebet und einer aufwendigen Zeremonie des Lobes und der Anbetung. Gott scheint das alles zu billigen, denn seine göttliche, herrliche Gegenwart erfüllt den Tempel in Form einer Wolke (1. Könige 8,10-11), so wie sie zur Zeit Moses die Stiftshütte erfüllte (siehe Exodus 40,35-40).

Vielleicht waren die Sklaverei und die Heirat mit der Tochter des Pharaos also gar nicht so schlimm. Sicherlich hat Gott Salomos Königreich gutgeheißen…

Warte es ab.

Ein weiterer Traum und ein überraschender Besuch

Dann hat Salomo eine weitere Vision in einem Traum (1. Könige 9,1-9). Gott ermahnt ihn, den Göttern der Nachbarn Israels nicht nachzulaufen, sondern ihm von ganzem Herzen zu folgen. Andernfalls wird „dieses Haus ein Trümmerhaufen sein“ (1. Könige 9,8), was sehr schade wäre, denn es ist so kunstvoll!

Nach diesem zweiten Traum erhalten wir eine lange Liste weiterer Errungenschaften Salomos. Da ist das Sklavenheer, das er aufgebaut hat (1. Könige 9,15). Da ist der Pharao, der König von Ägypten, der die Stadt Gezer angriff, alle Einwohner verbrannte und die Stadt dann seiner Tochter zur Hochzeit schenkte, als sie Salomo heiratete (1. Könige 9,16-17). Es wird von den enormen Mengen an Gold berichtet, die Salomos Schiffsflotte regelmäßig einbrachte (1. Könige 9,26-28).

Du erahnst vielleicht die Frage, die du jetzt stellen musst: Soll uns das alles beeindrucken oder misstrauisch machen?

Um noch einen drauf zu setzen, gibt es eine lange Geschichte über die Königin von Saba, die von weit her anreiste, um sich von Salomos Weisheit und Reichtum zu überzeugen (1. Könige 10,1-13). Sie bringt Geschenke aus Gold, Gewürzen und Edelsteinen mit und ist völlig überwältigt von der Größe und dem Umfang seines Palastes. Dies führt zu einer letzten Aufzählung von Salomos Pracht (1. Könige 10,14-29). Diese Aufzählung bezieht sich auf die riesigen goldenen Schilde, die Salomo überall in seinem Palast anbringen ließ, auf den großen Thron aus Elfenbein und Gold, der von riesigen Löwen flankiert wurde, und auf die riesige Flotte von Pferden, die er regelmäßig aus Ägypten importierte. Du weißt schon, die Art von Importen, die jeder König im Alten Vorderen Orient haben wollte.

Wir sollten diesen Mann ganz bestimmt bewundern. Er bat um Weisheit, und Gott schenkte ihm auch Reichtum und Erfolg. Das ist die Weisheit der Sprüche, oder? Liebe Gott, ehre ihn, und er wird dich reich machen! Darum geht es doch in dieser Geschichte, oder? Sei ein guter Mensch, wie Salomo, und Gott wird dir deine kühnsten Träume erfüllen…

Es wäre absolut verständlich, genau diese Lektion aus der Geschichte Salomos abzuleiten, wenn man nicht die ganze Geschichte von Genesis über 2. Samuel bis zu diesem Punkt gelesen hätte. Aber du weißt bereits das ein oder andere über das menschliche Herz aus der Sicht der biblischen Autoren. Und du solltest dir zusätzlich ein wirklich wichtiges Gesetz in Erinnerung rufen, das Mose dem Volk Israel darüber gab, wie sich seine zukünftigen Könige zu verhalten hatten:

„Wenn du in das Land kommst, das Jahwe, dein Gott, dir gibt, wenn du es in Besitz genommen und dich darin niedergelassen hast, wenn du dann auf die Idee kommst, einen König haben zu wollen wie alle anderen Völker ringsum, dann sollst du nur den König über dich setzen, den Jahwe, dein Gott, auswählt. Es muss einer von deinen Brüdern sein. Einen Ausländer darfst du nicht zum König über dich setzen. Der König soll sich nicht zu viele Pferde halten und das Volk nicht wieder nach Ägypten führen, um viele Pferde anzuschaffen, denn Jahwe hat euch gesagt, ihr sollt diesen Weg niemals wieder betreten. Der König soll sich auch nicht viele Frauen nehmen, damit er nicht auf Abwege gerät. Er soll sich auch nicht zu viel Gold und Silber anhäufen.“
Deuteronomium 17,14-17

Salomo verstieß gegen fast jedes Detail dieses Gesetzes, bis hin zu den Pferden aus Ägypten! Jetzt kannst du nachvollziehen, warum der biblische Autor von 1. Könige 1-10 so ins Detail ging. Salomo war ein zwiespältiger Charakter, wie alle Figuren, die wir bisher kennengelernt haben. Wenn du dich fragst, wohin all diese Entscheidungen Salomos letztlich führten, blättere einfach zu 1. Könige 11 weiter. Sein Heiratsabkommen endete nicht mit Ägypten. Es folgten viele (hundert!) weitere, und schließlich wandten all diese Ehen sein Herz von der uneingeschränkten Treue zum Gott Israels ab. All der Reichtum und die Fülle, von denen wir dachten, sie seien ein Zeichen göttlichen Segens, sehen jetzt ganz anders aus. Es sieht aus wie eine traurige Geschichte von kleinen Kompromissen, die am Ende zur Katastrophe führen.

Wir befinden uns wieder am Anfang: Saul war der erste König, der fiel, dann kam Davids moralischer Kompromiss, und jetzt auch noch Salomo. Wenn du im 1. und 2. Königebuch weiterliest, wirst du sehen, dass alle Könige Israels in seine Fußstapfen treten. Und die göttliche Warnung, dass der prächtige Tempel in Schutt und Asche gelegt werden würde? Sie wird sich bewahrheiten, am Ende des 2. Königebuches, in den Kapiteln 24-25.

Das Fazit

Salomo hatte alles, was er brauchte, und keine der Entscheidungen aus der Anfangszeit seiner Herrschaft schien bösartig oder mit schlechten Absichten zu sein. Doch im Laufe seines Lebens wurde sein Herz langsam unempfindlich. Und so verwandelte sich seine große Weisheit, die einst ein göttliches Geschenk war, zu einem Instrument der Selbstbedienung und Selbsterhöhung. Es ist eine realistische Darstellung desselben Charakterfehlers, den wir in der Geschichte von Saul gesehen haben. Es ist – gemäß der Definition – unmöglich, Selbsttäuschung selbst zu erkennen. Du wirst niemals bemerken, dass du einen Weg eingeschlagen hast, auf dem du nicht umkehren kannst. Niemand will sein Leben absichtlich ruinieren, und schon gar nicht das eines anderen, aber es passiert immer wieder.

Die Geschichten Salomos sind eine weitere Warnung, dass wir unsere eigene dunkle Seite ernst nehmen sollten. Sie dienen auch als Zeichen der Hoffnung, dass Gott dafür sorgt, dass das Versagen seines Volkes nicht das letzte Wort haben wird. Sein Versprechen an David gilt immer noch (siehe 2. Samuel 7). Salomo ist zwar nicht der verheißene König, der für immer über die Völker herrschen wird, aber dieser zukünftige, kommende König wird „wie Salomo“ sein, ohne all die negativen Seiten. Lies Psalm 72, eine Verheißung des zukünftigen Königs aus dem Geschlecht Davids, und sag mir, dass das nicht wie das Königreich Salomos klingt! Die Hoffnung auf den künftigen messianischen König wird zu einem weiteren Hinweis auf die Treue Gottes angesichts der menschlichen Untreue. Auf diese Weise verweist die schlechte Nachricht über Salomo auf die gute Nachricht der Zukunft hin, die mit König Jesus kommen wird.

Original von Tim Mackie
Übersetzung von Julia Pfeifer

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