Willkommen im Neuen Testament! Wir sind endlich bei der Geschichte von Jesus angekommen, die die ganze biblische Geschichte zu einem Höhepunkt führen wird. Die Ankunft Jesu bringt eine gewaltige Wende in diesem Drama, aber eine, die wir kommen gesehen haben. Um mit der guten Nachricht von Jesus Schritt zu halten, brauchst du all dein Wissen und alle Fertigkeiten, die du beim Lesen des Alten Testaments gewonnen hast, damit du die ersten Seiten des Neuen Testaments verstehen kannst. Das erste Buch des Neuen Testaments ist das Matthäusevangelium. Es ist der erste von vier Berichten über das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu, von dem jeder ein einzigartiges Portrait von Israels messianischem Erlöser bietet.
Matthäus zeigt, wie Jesus die Geschichte des Alten Testaments erfüllt, indem er von Jesu Stammbaum berichtet. Jetzt denkst du vielleicht, „Nicht noch ein Stammbaum!“ Aber nicht so schnell.
Erinnere dich daran, dass die Autoren über die Stammbäume des Alten Testaments dem Leser verschiedene Informationsebenen vermitteln wollten. Diese Ahnentafeln zeichnen nicht nur den Stammbaum einer Familie nach, sondern auch priesterliche und königliche Geschlechter durch die Geschichte Israels. Diese Stammbäume kannst du in den ersten neun Kapiteln der Chronik nachlesen. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Autor des Matthäusevangeliums das Buch der Chronik und seine Stammbäume im Kopf hatte, als er das Evangelium geschrieben hat, und begann mit einem Stammbaum.
Okay … Aber warum ist dieser Stammbaum so wichtig?
Nun, beginnen wir mit dem ersten Satz des Buches. Matthäus nennt uns die zwei wichtigsten Personen des Stammbaums.
Buch des Ursprungs von Jesus Christus, dem Sohn Davids, der ein Nachkomme Abrahams war.
Matthäus 1,1
Ab dieser Einleitung erwarten wir, dass der Stammbaum uns hilft, nicht nur Jesu Vorgeschichte zu verstehen, sondern auch seine Identität und Mission. Er wird uns als Sohn von David und Abraham vorgestellt. Arbeiten wir uns von Abraham aus vor und schauen uns an, wie jede dieser Personen den nachfolgenden Stammbaum prägte.
Indem der Autor Jesus als den „Sohn Abrahams“ bezeichnet, schlägt er eine direkte Verbindung zwischen ihm und dem Stammvater Israels. Abraham steht symbolisch für den Moment in der Geschichte, als Gott im Buch Genesis Abraham und seine ganze Familie unter allen Völkern auserwählte. Gott versprach, dass er durch genau dieses Volk Israel Segen über die ganze Menschheit bringen wird (Genesis 12,1-3). Durch die Verbindung zwischen Jesus und Abraham lenkt Matthäus die Aufmerksamkeit des Lesers zurück auf Gottes Rettungsplan für die Welt. Er möchte, dass wir sehen, dass Jesus der langersehnte Sohn Abrahams ist, der Gottes Segen für die Menschheit bringt. Aber wie genau? Dafür müssen wir uns die zweite Schlüsselfigur im Stammbaum anschauen: David.
Jesu Identität als Nachkomme Davids ist ein Hauptpunkt im Matthäusevangelium. Um die Theologie von Matthäus und seine Darstellung von Jesus zu verstehen, müssen wir untersuchen, wie der Verfasser David in die Geschichte bringt.
„Sohn Davids“ ist ein Ausdruck, den Matthäus gerne verwendet. Vers eins ist der erste von zehn im ganzen Evangelium, in denen die Bezeichnung verwendet wird. Und er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Königsgeschlecht Davids. Abrahams Name verwies auf eine Zugehörigkeit zum Volk Israel. Und Davids Name sagt uns, dass Jesus königlich war.
Dass dies das Ziel des Autors war, kann man an der Tatsache festmachen, dass Jesu Herkunft auf Davids Sohn, König Salomo, zurückgeht. Im Lukasevangelium wird die Abstammung über Davids Sohn Nathan zurückverfolgt. Aber dem Autor des Matthäusevangeliums geht es in erster Linie um die genetische Abstammung. Er versucht auch, Jesus als den königlichen Nachfolger und rechtmäßigen Erben des Throns von Davids Königreich zu begründen. Er verfolgt den Stammbaum von Salomo bis zu Jekonja, der überlebende König aus Davids Geschlecht, der auch zur Zeit des Exils noch lebte.
Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Abschnitte im Stammbaum des Matthäusevangeliums. Sie bestehen aus drei Teilen, die 14 Generationen umfassen. Aber warum 14?
In der hebräischen Schriftsprache werden die Buchstaben auch als Zahlen verwendet. Jedem Buchstaben wird ein Zahlenwert zugeordnet. Der Name David lautet auf Hebräisch „דוד“, und ab hier kann man einfach rechnen. Der Zahlenwert des ersten und dritten Buchstabens „ד“ (genannt dalet) ist 4. Und der mittlere Buchstabe „ו“ (genannt waw) hat einen Zahlenwert von 6. Wenn du diese Zahlen jetzt zusammenrechnest, hast du 4+6+4=14, den numerischen Wert des Namens „David“.
Matthäus hat den Stammbaum so angelegt, dass Jesus sowohl ausdrücklich, als auch in der literarischen Gestaltung mit David in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich wollte Matthäus diesen „14=David“-Gedanken so sehr hervorheben, dass er mehrere Generationen aus Davids Geschlecht ausgelassen hat (drei, um genau zu sein), damit die Zahlen stimmen.
Moment mal, Matthäus hat Leute aus dem Stammbaum weggelassen?
Ja, aber wer hier einen Skandal wittert, liegt falsch. Generationen wegzulassen um symbolische Zahlen in Stammbäumen zu generieren, ist literarisch gesehen gängige, hebräische Praxis, die wir schon in Genesis finden (wie bei den 10 Generationen in Genesis 5 oder den 70 Nachkommen in Genesis 46). Antike Stammbäume wurden dafür genutzt, theologische Behauptungen aufzustellen, und die Leser des Matthäusevangeliums hätten damals ganz genau verstanden, was der Verfasser hier tut und warum.
Matthäus hat aber nicht nur Anpassungen bei den Zahlen vorgenommen. Er hat auch ein paar Namen angepasst; aus demselben Grund. So änderte er beispielsweise die Namen von Asa und Amon in Asaf (der Dichter aus dem Buch der Psalmen) und Amos (den berühmten Propheten). Wir können das als Zuzwinkern von Matthäus verstehen, weil er wusste, dass seinen Lesern diese Namen auffallen würden, die hier scheinbar nicht passen. Der Punkt ist natürlich, dass Jesus nicht nur die königlichen Hoffnungen Israels erfüllte, sondern auch die Hoffnung der Psalmen (Asaf) und der Propheten (Amos). Jesus entstammt einem königlichen Geschlecht, das auch Israels reichhaltige Tradition von Lobpreis und Prophetie vollendet. Auf diese Weise denken die Leser an Israel und seine Geschichte, wenn sie Jesus zum ersten Mal im Evangelium kennenlernen. Die Ironie an der Sache ist, dass die Verfasser einiger modernen Übersetzungen diese Anspielung nicht verstanden und die Namen einfach wieder in die Originale zurückgeändert haben. Nun gut.
Aber wir sind immer noch nicht auf dem Grund des Kaninchenbaus angekommen! Matthäus hat noch viel mehr in diesen Stammbaum gepackt. Plötzlich erscheinen da vier Frauen im Stammbaum nach Matthäus: Tamar, Rahab, Rut und Bathseba. Alle vier sind entweder Nichtisraelitinnen oder mit nichtisraelitischen Familien verbunden. Es ist nicht nur unüblich, dass Matthäus diese weiblichen Namen in einem rein männlichen Stammbaum nennt, noch dazu kommt, dass man genau diese Frauen mit potenziellen Sexskandalen in Verbindung bringen kann. Matthäus hätte auch Jesu Verbindung zu Sarah, Rebekka und Rahel hervorheben können, Israels Matriarchinnen. Aber stattdessen nennt er Kanaaniterinnen, Prostituierte und Moabiterinnen, die man eher mit Israels Sünde und Bundesversagen in Verbindung bringt.
Matthäus macht damit deutlich, dass Gott alle möglichen Menschen dazu einsetzt, seinen Plan voranzutreiben und umzusetzen. Diese Darstellung eines allumfassenden und sich ausbreitenden Gottes und seines Königreiches wird uns auch über den von Matthäus vorgestellten Stammbaum hinaus noch in seinem Evangelium begegnen. Er wird weiter die Ausgeschlossenen und Außenstehenden in seine Familie aufnehmen (siehe die Liste in Matthäus 4,18-25). Und dieser Teil von Nichtisraeliten in Jesu Familiengeschichte wird sich in seinem letzten Auftrag an seine Nachfolger ausweiten, wenn er ihnen sagt, dass sie zu „allen Völkern gehen und die Menschen zu Jüngern machen sollen“ (Matthäus 28,19).
Wir lesen bei Matthäus also vom Stammbaum Jesu und erkennen seine königliche Abstammung. Er ist derjenige, der den Segen Abrahams in die ganze Welt bringen wird. Er ist der königliche Sohn Davids, auf den ganz Israel gewartet hat. Er ist derjenige, über den die Propheten geschrieben und die Psalmisten gesungen haben. Er wird der König Israels sein, der alle Völker der Welt segnet, insbesondere die Außenseiter. Wir wissen das alles, weil Matthäus es uns in seiner Stammfolge erzählt, die uns ganz vorsichtig die Hoffnung offenbart, die in Jesus gekommen ist.
All das in den ersten 17 Versen des ersten Buchs!
Original von BibleProject-Team
Übersetzung von Julia Pfeifer
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