Hat Gott die Bibel geschrieben – oder doch Menschen?

Der Ursprung der Bibel ist sowohl menschlich als auch göttlich – nicht ausschließlich von Gott und nicht ausschließlich von Menschen. Die Erzählungen, Gedichte, Berichte, Briefe, Prophezeiungen und andere Literatur der Bibel stammen aus einer tiefgehenden Zusammenarbeit zwischen der Menschheit und Gott.

Wie der Ursprung der Bibel sowohl menschlich als auch göttlich sein kann

 

Hat Gott die Bibel geschrieben? Oder waren es die Menschen? Oder haben vielleicht beide – Gott und Menschen – die Bibel geschrieben? Und wenn das stimmt, warum fällt es uns immer noch schwer, zu begreifen, was das bedeutet?

Der Gedanke, dass die Bibel göttlich ist, wird unter den Nachfolgern Jesu heutzutage (und auch in der Geschichte) nicht viel diskutiert. Menschen vertrauen schon lange darauf, dass die Bibel von Gott kommt und auf eine Weise Gottes Wort für die Menschen erfasst hat. Trotzdem ist diese Idee – dass der Ursprung der Bibel göttlich ist – damit noch nicht ganz zu Ende gedacht, weil wir oft eine genauso wichtige Wahrheit ausblenden: Die Bibel hat auch einen menschlichen Ursprung.

Der Ursprung der Bibel ist sowohl menschlich als auch göttlich – nicht ausschließlich von Gott und nicht ausschließlich von Menschen. Die Erzählungen, Gedichte, Berichte, Briefe, Prophezeiungen und andere Literatur der Bibel stammen aus einer tiefgehenden Zusammenarbeit zwischen der Menschheit und Gott. Aber wie können Gott und Menschen bei so etwas wie der Bibel zusammenarbeiten? Und wie beeinflusst das die Art und Weise, wie wir sie lesen?

 

Das biblische Bild von Gott und der Menschheit

 

Eine einfache Annahme wäre, dass die Bibel trotz der Menschen entstanden ist – als wären goldene Schrifttafeln vom Himmel gefallen. Oder vielleicht hat Gott auch die Kontrolle über die Gedanken und Hände der Autoren übernommen und sie in eine Trance versetzt, so dass er sie als menschliche Drucker benutzen kann. Und als sie aufwachten: „Voilà! Die Bibel!”

Manchmal nehmen wir an, dass etwas Menschliches nicht gleichzeitig göttlich sein kann. Es kann nur entweder das eine oder das andere sein. Aber die biblischen Autoren teilten diese Auffassung nicht.

Durch die Art und Weise, wie Gott die Schöpfung eingerichtet hat, haben sie verstanden, dass Gott immer schon und bei quasi allem mit den Menschen zusammenarbeiten wollte. Er lud die Menschen ein, den Tieren Namen zu geben, seine Schöpfung zu pflegen und neben ihm über sie zu herrschen. Von den Propheten, über die Autoren bis zum verheißenen Messias malt die Bibel ein Bild von der Zusammenarbeit zwischen Gott und den Menschen.

Außerdem hilft uns die Darstellung von Gottes Geist, der sich durch die Bibel zieht, diese Zusammenarbeit noch klarer zu sehen. Sie zeigt uns, dass der Ursprung der Bibel wirklich menschlich und göttlich zugleich ist.

Lasst uns das genauer anschauen!

 

Gott wirkt durch Menschen

 

Auf der ersten Seite des Buches Genesis wird uns Ruakh Elohim (hebräisch für „Geist Gottes“) vorgestellt – die unsichtbare, persönliche, belebende Präsenz des Schöpfers, der die dunkle Unordnung in Ordnung, Leben und Schönheit verwandelt (Genesis 1,2)

Diese Eröffnungsszene ist geheimnisvoll, voller Kraft und Göttlichkeit – Menschen tauchen in dieser Geschichte noch gar nicht auf. Dies ist eine der extrem seltenen Gelegenheiten, in denen wir Gottes Geist allein wirken sehen. Wenn die biblischen Autoren später über die Aktivität des Geistes Gottes sprechen, beschreiben sie, wie der Geist mit und durch Gottes menschliche Partner wirkt.

Wir sehen immer wieder, wie der Geist Gottes Menschen befähigt und inspiriert – Josefs Traumdeutung (Genesis 41,38), Bezalels Entwurf der Stiftshütte (Exodus 31,3), Moses Führung des Volkes Israel (Numeri 11,17+25-26), die Siege durch die Richter und David (Richter 3,10; 6,34; 11,29; 14,6), die Visionen der Propheten (Jesaja 59,21), bis hin zur Bevollmächtigung des Messias und den erstaunlichen Ereignissen an Pfingsten (Jesaja 11,1-9; 42,1; 61,1; Apostelgeschichte 2). Dies sind nur einige Beispiele – das Wirken des Heiligen Geistes wird in dieser Welt sichtbar durch menschliche Taten.

 

Göttliches Wort durch menschliche Worte

 

Die Bibel zeigt, wie Gott durch Menschen spricht – nicht nur manchmal, sondern immer wieder. Die Worte der menschlichen Autoren sind der Weg, über den Gottes göttliches Wort kommuniziert wird. Und wenn du Gottes Geist begegnest, begegnest du ihm in einem Menschen.

Wenn also Gott durch Menschen wirkt, macht es auch Sinn, dass Gottes Wort durch menschliche Worte kommuniziert wird. Und diese menschliche Kommunikation ist nicht eine traurige Notwendigkeit oder eine unglückliche Voraussetzung – sie ist Gottes Absicht. Er entscheidet sich dazu, so zu kommunizieren.

Deshalb sagen wir, dass die menschlichen Aufzeichnungen in der Bibel „inspiriert“ sind oder von Gott „eingehaucht“ oder, wie wir als nächstes sehen werden, „von Gott eingegeben“.

 

Die Bibel ist von Gott eingegeben

 

Menschen erleben und verstehen diese Schriften – ursprünglich verfasst in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch – als historisch verwurzelte und doch von Gott eingegebene Texte. Aber was bedeutet das? Wie kommen solche Aufzeichnungen überhaupt zustande? Manche stellen sich eine spirituelle Übernahme des Autors vor, bei der Gott den Menschen wie eine Marionette beherrscht und dieser jede eigene Handlungsfähigkeit im Prozess verliert.

Manche Beispiele in der Bibel scheinen das zu bestätigen. In Exodus 17,14 diktiert Gott Mose mehr oder weniger, was er schreiben soll. In ähnlicher Weise diktiert Gott Mose in Deuteronomium ein ganzes Lied, das er aufschreiben soll (Deuteronomium 31,19; 31,30-32,43). Später in Jeremia 36 sehen wir ein weiteres Beispiel, wo Gott sein Wort zwei Menschen diktiert.

Allerdings fällt in jedem dieser Beispiele und noch weiteren auf, dass Gott den Menschen einlädt, sich an dieser Kommunikation zu beteiligen. Wir sehen keine Szene, wo eine Person ihren Verstand oder ihre eigene Handlungsfähigkeit verliert, während sie Gottes Worte weitergibt.

 

Göttlich-menschliche Partnerschaft im Alten Testament

 

An anderen Stellen der Bibel wird die göttlich-menschliche Zusammenarbeit noch klarer betont, zum Beispiel als Gott mit dem Propheten Jesaja spricht (z.B. Jesaja 8,11-18). Oder bei der interessanten Abschlusserklärung Davids, der viele Lieder und Gedichte der hebräischen Bibel schrieb. In 2. Samuel 23,1-2 lesen wir seine letzten Worte:

Dies sind die letzten Worte Davids:
„David, der Sohn Isais, spricht –
David, der Mann, den Gott erhöht hat,
David, der Mann, den der Gott Jakobs gesalbt hat,
David, der Liebling in den Liedern Israels.
Der Geist des HERRN spricht durch mich;
seine Worte liegen auf meiner Zunge.“

Es macht einen großen Unterschied, ob Gott mit einer Person und durch sie spricht, oder ob er ihr Reden oder Schreiben kontrolliert.

 

Neutestamentliche göttlich-menschliche Partnerschaft

 

Wenn die Autoren des Neuen Testaments über die Bibel sprechen, sehen sie sie ebenfalls als das Ergebnis einer göttlich-menschlichen Partnerschaft. Zum Beispiel lesen wir in 2. Timotheus 3,16-17, wie Paulus die hebräischen Schriften als theopneustos bezeichnet, was auf Griechisch „inspiriert“, „von Gott eingehaucht“ oder „von Gott eingegeben“ bedeutet. Paulus erkannte, dass Gottes Absichten und die seiner auserwählten menschlichen Autoren dieselben waren. Und diese Autoren waren von ihrer Gemeinschaft, den alttestamentlichen Schriften und dem Geist Gottes so geprägt, dass sie gleichzeitig aus ihrer eigenen Perspektive schrieben und Gottes Wort verkündeten.

Vor diesem Hintergrund ist es auch einfacher zu verstehen, weshalb es hilfreich ist, die Geschichte und Kultur der biblischen Autoren zu kennen. Indem wir diese menschlichen Autoren verstehen, begreifen wir auch besser, was genau Gott uns durch die Bibel sagt.

 

Schlussfolgerung

 

Die biblischen Autoren sahen sich selbst als Boten, die Gottes Botschaft mit seiner göttlichen Autorität weitergaben. Sie sahen ihren menschlichen Anteil am Niederschreiben und Weitergeben nicht als Verminderung der göttlichen Natur der Botschaft. Vielmehr stimmt die göttliche und richtungsweisende Natur der Bibel gut überein mit dem Weg, wie Gott schon immer geschaffen und kommuniziert hat – mit und durch Menschen.

Wenn wir die Schriften der Bibel als menschliche und göttliche Texte verstehen, hat das eine große Bedeutung für ihre göttliche Autorität und wie sie entstanden ist. Die Bibel ist ein menschliches literarisches Kunstwerk, geschafften, um eine Botschaft zu verbreiten. Und die Bibel ist göttlich. Und für uns kann ihr wegweisender und göttlicher Anspruch neben ihrer öffentlichen Geschichte als literarische Kunst bestehen.

Und wenn wir diese göttlich-menschlichen Worte lesen, begegnen wir – durch die Worte und Erfahrungen von Menschen wie uns – einer anderen Denkweise: der Denkweise Gottes, der die Realität und die Menschheit anders und viel klarer sieht als wir das auf uns allein gestellt könnten.

Diesem Geist zu begegnen und gemeinsam mit ihm zu denken und zu handeln, bedeutet, heil zu werden – und das wahre Leben zu erfahren, das unser Schöpfer anbietet.

Original von Shara Drimalla & BibleProject Team
Übersetzung von Sandra Weißsieker

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