Die Apokalypse Jesu

Jesus wird als der versprochene königliche Priester offenbart

Das Neue Testament enthält vier Berichte über die Geschichte von Jesus – wir nennen sie die Evangelien. Einer dieser Berichte stammt von Markus, der die Geschichte wie eine Apokalypse gestaltete.

Wenn wir das Wort Apokalypse hören, denken viele von uns an ein katastrophales Ende dieser Erde. Aber in der Bibel bedeutet das Wort etwas anderes. Die in der Bibel benutzten Wörter für Apokalypse (Hebräisch galah, Griechisch apokalupto) bedeuten „etwas offenbaren“ oder „etwas aufdecken“. Im wörtlichen Sinn offenbaren die Evangelien also die Identität Jesu.

Lasst und mal hineinschauen!

 

Jesu Taufe und seine Rolle als königlicher Priester

 

Als Jesus im ersten Akt die Szene betritt, öffnet sich der Himmel; beziehungsweise er „reißt auf“ (Griechisch schizo). Das griechische Wort ist ein gewaltiger Begriff, der eine heftige Handlung ausdrückt. Er zeichnet ein Bild von Gott, der sich einen Weg in unsere Welt „reißt“, als sein Geist auf Jesus herabkommt. Und aus dem Himmel verkündet Gott: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich große Freude.“ (Markus 1,10-11).

Gottes offenbarende Aussage vereint hier drei verschiedene Abschnitte aus biblischen Texten, um Jesus als den Nachkommen Abrahams (Genesis 22,2), den königlichen Sohn Davids (Psalm 2,7) und den Knecht zu identifizieren, der für die Sünden seines Volkes leiden wird (Jesaja 42,1).

Seine Taufe verbindet Jesus mit der königlichen Priesterschaft. So wie die aaronitische Priesterschaft durch Wasser (Levitikus 8,6) und Salböl (Levitikus 8,30) geweiht und in eine neue Stellung erhoben wurde, nahm Jesus durch seine Taufe ebenfalls an diesem antiken Ritual teil. In der Bibel war eine Salbung nur für zwei Rollen vorgesehen: für Priester und für Könige. Jesus wurde mit Wasser und dem Geist Gottes gesalbt – seine Weihe für seine Rolle als Priester (Jesaja 61,1).

Als der Geist auf Jesus herabkommt, wird er als der von Gott Gesalbte geoffenbart (wie in der Aussage über den königlichen Sohn Davids aus Psalm 2,7), der zum Berg Zion hinaufgehen wird (Moriah, das mit dem Samen Abrahams aus Genesis 22 verbunden ist), um sein Leben als Opfer für die Sünden seines Volks zu geben (wie der Knecht aus Jesaja 42).

Gott setzt Jesus als königlichen Priester ein, und nach diesem offenbarenden Moment beginnt Jesus, seine Rolle als Priester für sein Volk auszufüllen. Ein Schlüsselmoment wird in Markus 2,5-12 berichtet, als eine Gruppe von Männern ihren gelähmten Freund durch das Dach eines Hauses herablassen, um ihn zu Jesus zu bringen. Sie sehen, dass Jesu Dienst etwas Besonderes ist, und erkennen schnell, dass es der Dienst eines Priesters ist.

In der ganzen Bibel sehen wir Priester, die unter Gottes Autorität als Vermittler von Gottes Vergebung für andere dienen. In einem überraschenden Wendepunkt vergibt Jesus aber selbst die Sünden dieses Mannes, wodurch er die Ankündigungen der Priester in Jerusalems Tempel erfüllt (z.B. Levitikus 4,20-35; Levitikus 5,13-18). Jesu Äußerung macht klar, dass er anders ist als alle anderen Priester. Er verkündet göttliche Vergebung aus seiner eigenen Autorität heraus. Jesus nennt sich selbst den Menschensohn, der auf der Erde die Autorität hat, göttliche Vergebung auszusprechen. Seine Worte sind ergreifend. Sie verbinden die königlichen und priesterlichen Motive des Menschensohns aus Daniel 7 und erklären seinen Anspruch auf die göttliche Autorität, Gottes Vergebung auszusprechen. Priester haben aus der Autorität heraus gehandelt, die Gott ihnen übertragen hat, aber Jesus handelte aus seiner eigenen Autorität heraus.

 

Jesu Apokalypse bei der Verklärung

 

Im Verlauf der Geschichte fügt Markus einen weiteren Offenbarungsmoment in den zweiten Akt ein, der ähnlich aussieht und klingt wie der erste. Jesus nimmt drei seiner Jünger mit auf einen Berg, wo er plötzlich verklärt wird: Er strahlt vor Licht und Herrlichkeit, als eine Wolke die Gruppe umschließt (Markus 9,2-4). Die Situation ähnelt der, als die Herrlichkeit des Gottes Israels auf dem Berg Sinai erscheint (z.B. Exodus 19-20, 1. Könige 19). Und genau die beiden Propheten, die auf dem Berg Sinai dabei waren, erscheinen neben Jesus, als Gott wieder verkündet: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ (Markus 9,7).

Die ganze Szene verweist auf Schlüsselmomente in Exodus (z.B. Exodus 24, 28 und 32-34), als Mose auf den Berg Sinai steigt, um sechs Tage lang zu warten, bevor er am siebten Tag in die Wolke und die Herrlichkeit Gottes eintritt (Exodus 24,16-18). Dort auf dem Berg erhält Mose die Pläne für die Stiftshütte und die hohepriesterlichen Gewänder, geschmückt mit glitzernden und glänzenden Juwelen und Gold (Exodus 28,12-30) und mit einem weißen Untergewand aus Leinen (Exodus 28,39-40). Und wir erfahren, dass Moses Gesicht „glänzte“, nachdem er in Gottes Gegenwart gewesen war (Exodus 34,29-35).

All diese Details finden wir in Markus 9 wieder: Die sechs Tage, den hohen Berg, die Wolke aus Gottes Herrlichkeit, die priesterlichen Gewänder und Jesu strahlende Erscheinung. Jesus erscheint als der strahlende königliche Priester auf einem Berg!

 

Jesu Prozess und Kreuzigung

 

Damit kommen wir zum dritten und letzten Akt, in dem Jesus öffentlich und königlich zum Passahfest nach Jerusalem einzieht. Zunächst wird Jesus als der langersehnte Messias bejubelt. Viele erwarteten, dass der Messias kommen und alle Nicht-Israeliten richten (und sogar vernichten) würde. Aber Jesus kam und richtete das Tempelsystem und seine mächtigsten Leiter. Damit wird eine Woche eingeläutet, in der Jesus die Leiter Israels mit ihrer Heuchelei konfrontiert und mit ihnen debattiert. Und im Gegenzug schmieden diese Leiter einen Plan, um Jesus zu töten.

Schließlich wird Jesus festgenommen und vor dem Sanhedrin verhört. Dieser hatte 70 Mitglieder, vor allem Sadduzäer und Pharisäer, zusammen mit Priestern und einem Hohepriester. Der Hohepriester im Prozess um Jesus war Kajafas.

Jesus wird verhört, und als er sich weigert, seinen Anklägern zu antworten, konfrontiert Kajafas ihn direkt: Er fragt Jesus, ob er der gesalbte Sohn Gottes ist (Markus 14,61-62). Und in diesem entscheidenden Moment im Markusevangelium antwortet Jesus, dass er der priesterliche Menschensohn auf dem Thron ist. Mit dieser Aussage bezieht sich Jesus sowohl auf Daniel 7 als auch auf Psalm 110. Durch das ganze Markusevangelium hindurch ziehen sich Hinweise auf Jesu Identität als der königliche und priesterliche Menschensohn aus Daniel 7, aber in diesem Moment spricht er es explizit aus.

Indem er den Titel des Menschensohns aus der hebräischen Bibel verwendet, beansprucht Jesus, ein von Gott gesandter Priester zu sein. Aber Kajafas sieht ihn bereits als Bedrohung und als jemanden, der gegen Gottes Willen handelt. Jesus konfrontiert Personen wie Kajafas, aber dieser denkt, der Messias sollte sich gegen die Heiden wenden. Darum ist Kajafas über Jesu Anspruch, der versprochene Menschensohn zu sein, so verärgert, dass er Jesus tot sehen will.

 

Ein abruptes Ende

 

Das Markusevangelium hat zwei finale Szenen.

Beim ersten Ende entdecken zwei Frauen das leere Grab und laufen voller Angst davon (Markus 16,8). Beim zweiten Ende erscheint Jesus und spricht zu seinen Jüngern (Markus 16,9-20). Allerdings findet sich in den meisten Bibelübersetzungen ein Hinweis, dass dieses zweite Ende nicht Teil des Originalmanuskripts war, sondern erst später in weniger verlässlichen Manuskripten auftauchte. Möglicherweise ging das originale Ende verloren oder Markus hat seinen Bericht nie zu Ende geschrieben. Aber Markus ist ein brillanter Geschichtenerzähler, also hat er sein Buch vielleicht auch absichtlich so abrupt enden lassen.

Im diesem Evangelium sehen wir, wie sich eine erschütternde Apokalypse entwickelt – der leidende, gekreuzigte und auferstandene Jesus ist der langersehnte Messias und der königliche Priester. Markus‘ Bericht endet ohne Abschluss, aber vielleicht will er dadurch nur zeigen, wie überraschend dieser Anspruch wirklich ist. Vielleicht möchte er, dass wir mit dieser seltsamen und skandalösen Apokalypse von Jesus regelrecht ringen.

Werden wir davonlaufen wie die Jünger? Werden wir den gekreuzigten Jesus als unseren Priester und König anerkennen? Werden wir losgehen und die gute Nachricht erzählen, dass Jesus der herrschende königliche Priester ist, und damit sein Königreich auf dieser Erde ausbreiten?

Wie werden wir auf die Apokalypse Jesu antworten?

 

Original von Shara Drimalla & BibleProject Team
Übersetzung von Julia Pfeifer

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