Was ist die Bedeutung des Verheißenen Landes in der Bibel?

Wir schauen uns das Thema des verheißenen Landes in vier Kreisläufen in der Bibel an

Das verheißene Land spielt eine wichtige Rolle in der Bibel. Es ist ein wichtiges, biblisches Thema, dem wir schon im Buch Genesis begegnen, und das durch die Bibel hinweg weiterentwickelt wird; sogar bis zum Buch Offenbarung. Die hebräische Bibel wirft ein besonderes Licht auf dieses göttliche Geschenk, indem gezeigt wird, wie Gottes Volk in dieses Land rein- und rauswandert, gefangen in einer Rebellion gegen Gott. Dieses Land, das Gott Abraham im Buch Genesis versprochen hat, bildet nicht einfach nur einen geografischen Hintergrund. Es dient auch als Bild für Bundestreue, als Gottes Volk versucht (und scheitert), seine göttliche Berufung zu leben. Schauen wir und das genauer an, indem wir diese vier Kreisläufe des Volkes Israel untersuchen, und wie es sich darin ins und aus dem verheißenen Land raus bewegt. Dazu schauen wir auf die ersten Seiten der Bibel.

Kreislauf 1: Die Menschen erben die Schöpfung

Obwohl viele von uns Kanaan als das verheißene Land identifizieren würden, ist dieses Land, von dem Gott Abraham sagt, dass seine Nachkommen es erben werden, das Muster Gottes, wie er den Menschen Land gibt, in dem sie gedeihen können, der Garten Eden. Am Anfang erschafft Gott ein wunderschönes Gartenparadies mit einer dichten Pflanzenwelt, in der das Leben gedeihen kann. Er erschafft die Menschen (Hebräisch adam) nach seinem Ebenbild und gibt ihnen das Land (den Garten und noch darüber hinaus), um darüber zu herrschen, damit sie seine gute, königliche Herrschaft auf der ganzen Erde repräsentieren können.

Zu sagen, dass das Land für Adam und Eva ein landwirtschaftliches Paradies war, ist eine Untertreibung. Trotzdem ist die Beschreibung, die wir in Genesis 1-2 bekommen, nicht primär eine landwirtschaftliche, sondern eine theologische. Das Land war letztlich ein Ort, an dem Gott bei den Menschen sein konnte – der Ort, an dem sich Himmel und Erde überschnitten. Im Garten gingen die Menschen in der Kühle des Abends an Gottes Seite, erlebten seine gnädigen Geschenke und herrschten mit ihm gemeinsam über die Schöpfung. Die Beziehung zwischen den Menschen und Gott war untrennbar mit dem Land verknüpft, das er ihnen gegeben hat. Und an dem Ort zu leben, an dem Gott ist, bedeutet, bei ihm zu leben – das ist das Beste daran.

Aber das erste verheißene Land und das Leben in Gottes Gegenwart, kamen mit einer einfachen Anweisung: Die Menschen sollten Gott vertrauen und seine Gebote einhalten. Wenn sie Gott gehorchten, könnten sie weiter in diesem wunderschönen Garten leben, der mit Gottes Gegenwart durchtränkt war. Aber wenn sie sich dazu entschieden, nach ihrer eigenen Weisheit zu leben und Gott zu ignorieren, würden sie das Land verlieren, das Gott ihnen gegeben hatte. Das Land dient also als eine Art Thermometer, mit dem man die Treue der Menschen zu Gott messen kann.

Die Geschichte klingt vertraut: Menschen rebellieren gegen Gott und wenden sich vom Leben ab, um sich dem Tod und ihrer eigenen Definition von Gut und Böse zuzuwenden. Sie verlieren durch ihre Sünde das Garten-Land und werden aus Gottes Gegenwart verbannt, um im Exil zu leben. In Genesis 4-11 sehen wir die Abwärtsspirale der Menschen, die außerhalb des Landes leben, weit weg von Gottes Gegenwart, was seinen Höhepunkt im Bau von Babylon findet. Durch die Sünde und den Egoismus der Menschheit leben nun alle im Exil, von ihrer wahren Lebensquelle getrennt. Also wie können die Menschen zurückkommen ins verheißene Land und in Gottes Gegenwart? Die Geschichte von Eden stellt uns dieses Thema als den ersten Land-Exil Kreislauf in der Bibel vor. Und die Geschichte geht weiter, aber dieses Mal liegt der Fokus auf dem Volk Israel. Lass uns das genauer anschauen.

Kreislauf 2: Gott verspricht Abraham und seinen Nachkommen Land

Trotz der Rebellion der Menschen in Eden und außerhalb des Gartens, ist Gott noch nicht fertig mit seinen menschlichen Partnern. Er hat einen Plan, sein Volk zurückzubringen in seine Gegenwart, indem er ihnen das Land Kanaan gibt. Aus Rauch und Asche in Genesis 11 heraus schließt Gott einen Bund mit Abraham, verspricht ihm zahlreiche Nachkommen, und dass sie ein fruchtbares Land bekommen, in dem sie gedeihen können (was uns sehr bekannt vorkommt). Und das alles, damit Abrahams Familie alle Völker segnen kann.

Zugegeben, das Versprechen an Abrahams Nachkommen (das Familiengeschlecht, das später das Volk Israel werden wird) nimmt viel Raum ein in Genesis. Aber im Verlauf der Tora nimmt das verheißene Land den Platz im Mittelpunkt ein. Tatsächlich wird das Land eines der wichtigsten Merkmale der Geschichte; fast schon wie eine Hauptfigur. Zum Beispiel spricht der Prophet Jeremia über das Land „O Land, Land, Land! Höre das Wort Jahwes!“ (Jeremia 22,29) und fährt dann fort mit den Worten: „…Alle haben nur Böses im Sinn, ihre Stärke liegt im Unrechttun.“ (Jeremia 23,10)

Kann also ein Stück Land Gottes Wort hören und den Fluch beklagen? Natürlich nicht! Der Punkt ist, dass das verheißene Land in jeder Phase von Israels Geschichte (Verheißung, Eroberung, Besitz, Missbrauch, Verlust und Aufschwung) so zentral für seine Bundeserfahrung wird, dass man, wenn man vom Land spricht, von Israels einzigartiger Beziehung zu Jahwe spricht. Es war der Ort, der die Wiederherstellung der Vertrautheit mit Gott garantierte und das menschliche Gedeihen förderte – ein neues Gartenparadies.

So wie Gott Adam und Eva die ganze Welt schenkte, gibt er jetzt Israel das Land, in einem Ausdruck seiner Bundesverpflichtung ihnen gegenüber. Um es klar zu sagen: Dieses göttliche Geschenk hat nichts mit der Gerechtigkeit des Volkes zu tun. Das verheißene Land und die Existenz des Volkes beruhen auf Gottes Liebe für sie. Es ist ein Geschenk.

Aber dieses Geschenk kommt mit einer moralischen Verantwortung. Israel besitzt vielleicht das Land, aber Gott herrscht immer noch über die ganze Schöpfung. Deshalb schulden sie ihm Rechenschaft darüber, was sie mit dem Land machen. Das ist kein ein-für-allemal-Deal. Es bildet den Kontext für beständigen Gehorsam und Treue gegenüber Gott, der eigenen Familie und dem Nächsten. Alles was sie in diesem Land tun, von der Einführung der Gebiete bis zum Stutzen der Bäume, ist eine Gelegenheit, Jahwe zu dienen und zu gehorchen. Und wenn sie nicht gehorchen, verwirken sie das Land. In Levitikus 25,23 steht „… denn das Land gehört mir. Für mich seid ihr nur wie Fremde und Gastarbeiter.“ Das bedeutet, dass Gott jederzeit seinen Schutz zurückziehen und zulassen kann, dass die Israeliten wieder die landlosen Fremden werden, wenn sie seinen Bund brechen.

Hier dient das Land als Maßstab für die Bundestreue und offenbart den geistlichen Zustand des Volkes. Israel mag alle äußeren religiösen Rituale vollziehen, aber die einzige zuverlässige Möglichkeit, Israels wahre Treue zu Jahwe zu erkennen, ist die Inbesitznahme des Landes. Die Flüche des Bundes besagen, dass Ungehorsam den Verlust des Landes und die Verbannung aus der Heimat zur Folge haben wird – etwas, das die Propheten das Volk Israel nicht vergessen lassen, während es Gottes Herrschaft schamlos ablehnt. Aber trotz Jahwes Anweisungen und der Warnungen der Propheten lehnt Israel Jahwe ab und wendet sich der Sünde und anderen Göttern zu. Es ist nicht länger ein „Licht für die Völker“ (Jesaja 42,6) – es ist genau wie die Nationen!

Und so werden die Flüche des Bundes erfüllt, die Mose in Deuteronomium 28 vorausgesagt hat, und Gottes Volk landet im Exil. Sie sehen sich nun den Konsequenzen von jahrhunderterlangem Ungehorsam ausgesetzt und sind wieder einmal Fremde und Vertriebene, die in einem unterdrückenden, fremden Land leben.

Kreislauf 3: Gott rettet Israel aus dem Exil und bringt es zurück ins verheißene Land

Als ob es nicht schon verwirrend genug wäre, in einem fremden Land als Flüchtling leben zu müssen, wäre der Verlust des verheißenen Landes erdrückend gewesen. Israel verstand seine Beziehung zu Gott und das Erbe des Landes als untrennbar miteinander verbunden. Die Verbannung hat ihr gesamtes Verständnis dieses Konzepts in Frage gestellt. Nie hätten sie geglaubt, dass sie enterbt werden würden. Aber nun, da Jerusalem in Trümmern lag, mussten sie sich neu Gedanken machen über das Wesen ihrer Bundesbeziehung. Das babylonische Exil führte dazu, dass Israel seine Identität als Volk, die Gegenwart Gottes und ihre Rückkehr ins verheißene Land in Frage stellten.

Da erscheinen die Propheten auf der Bildfläche, um die Bedeutung all dieser Fragen zu verstehen. Zugegeben, der Verlust des Landes war ein schrecklicher Bruch in der Israels Beziehung zu Gott. Aber es war nicht das Ende der Beziehung. Hesekiel offenbart, dass Gott lebendig in Babylon ist und von einem mobilen Thron aus regiert, während Jeremia trotz der Zerstörung des Tempels Hoffnung für Gottes Volk ausspricht. Israel ist nicht für immer abgeschnitten. Durch Buße und erneuten Gehorsam könnten sie die Segnungen des Bundes mit Jahwe wieder erfahren – sogar in Babylon. Dies führte zu einer Neuausrichtung ihres Verständnisses des verheißenen Landes. Die theologischen Vorstellungen, die mit dem Land verknüpft waren (Sicherheit, Segen, Verantwortung) blieben bestehen, boten jetzt aber auch Raum für ein Leben mit Gott im Exil.

Diese Neuausrichtung ist ein entscheidender Moment in der Erlösungsgeschichte. Israel mag zwar das verheißene Land verloren haben, aber es war immer noch Gottes Volk. Und das ebnete den Weg für die Verbreitung von Gottes Zielen in der Welt, die die Nichtjuden auf eine Weise miteinschloss, die sich Israel zuvor nicht hatte vorstellen können. Erlösung ist nicht länger an einen bestimmten Ort gebunden oder auf eine ethnische Gruppe beschränkt. Tatsächlich nimmt Hesekiel die Reichweite des Heils vorweg, als er die Grenzen des neuen Landes umreißt und Israel befiehlt, allen Fremden unter ihnen ein Erbe zu geben. Wenn Gott sein Volk versammelt, wird es aus allen Nationen, Stämmen und Sprachen kommen.

Aber Exil ist immer noch Exil. Das Volk sehnte sich nach dem Tag, den Hesekiel und Jeremia prophezeit hatten. Die Propheten sagten, Gott würde seinen Überrest aus den Nationen sammeln, sie in das verheißene Land zurückbringen und ein neues Werk in ihren Herzen vollbringen, das sie dazu bringt, seine Gebote zu lieben, zu befolgen und in Bundestreue zu wandeln. Und Gott bringt sie schließlich aus dem Exil zurück in das Land, aber es ist nicht genau das, was die Propheten sich vorgestellt haben. Sie sind im Land, aber unterdrückerische Reiche herrschen über sie und behandeln sie wie Ausgestoßene und Fremde. Und es gibt keine radikale Veränderung in ihren Herzen. Sie lieben immer noch ihre sündige, götzendienerische Lebensweise. Offenbar kann man im Land sein und sich trotzdem wie im Exil fühlen.

Wir alle kennen dieses Gefühl. Die Welt ist unser Zuhause, aber sie ist kaputt. Wir erleben Schmerz, Trauma, Leid; vieles davon als Folge unserer eigenen Sünde. Dieses Bild von Gottes Volk im Exil ist ein Bild für den gesamten menschlichen Zustand. Das Volk ist in dem Land, das Gott ihren Vorfahren versprochen hat, aber sie fühlen sich immer noch verloren.

Kreislauf 4: Gott kehrt den Land-Exil-Kreislauf durch Jesus um

Die hebräische Bibel endet mit der merkwürdigen Tatsache, dass Gottes Volk gleichzeitig im Land und außerhalb des Landes ist. Generationen kommen und gehen in diesem unruhigen Zustand, bis der langersehnte Nachkomme Abrahams und Davids, der Messias und Schlangentöter zu Beginn des Neuen Testaments auf der Bildfläche erscheint. Durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung kehrt Jesus den Land-Exil-Kreislauf um, indem er an unserer Stelle ins Exil geht und uns dann das Land gibt, das er erbt. Schauen wir uns das genauer an.

Jesus lebt die göttliche Berufung der ersten Menschen und des Volkes Israel aus, indem er Gottes Worten gehorcht und nach der Tora lebt. Er vertraut auf Gottes Definition von Gut und Böse, selbst wenn er mit der Realität des Todes am Kreuz konfrontiert wird. Er liebt Gott und seinen Nächsten, wobei er sich besonders für die Unterdrückten, Ausgestoßenen und Ausgegrenzten einsetzt. Jesus ist der erste Mensch in der Bibel, der tatsächlich in der Treue zum Bund lebt, und doch beschließt er, ohne festen Wohnort zu leben und umherzuziehen, um andere zu lehren, worum es bei Gottes Königreich geht. Durch seine Lehren, Wunder und Heilungen schafft er kleine Orte des verheißenen Landes, an denen die Menschen das Leben, die Liebe und die Herrschaft Gottes erfahren können. Und dann wird er aus der Stadt hinausgeschickt, um als Verbannter zu leiden, der von unterdrückenden Mächten hingerichtet wird und die Last einer rebellischen Menschheit auf sich nimmt.

Am Kreuz identifiziert sich Jesus voll und ganz mit unserer Erfahrung des Exils und leidet dann an unserer Stelle, stirbt und steht von den Toten auf, um die Welt zu erben und die Menschheit in das verheißene Land zurückzubringen. Jetzt werden diejenigen, die sich durch Glauben und Buße mit Jesus identifizieren, wieder in die Gegenwart Gottes gebracht und erhalten die Welt als Erbe – angeführt von Jesus, dem neuen Adam, in ein neues Eden.

Gottes Erlösungsabsichten, die mit Israel und seinem verheißenen Land begannen, finden ihre endgültige Erfüllung in dem Nachkommen Abrahams: Jesus, dem die Welt gehört. Durch unsere Verbindung mit Jesus besitzen auch wir das Erbe Abrahams. Im Missionsbefehl sagt Jesus seinen Nachfolgern, dass ihm alle Vollmacht gegeben wurde, und dann sendet er sie mit dieser Vollmacht in die ganze Welt, um das Evangelium zu verkünden und alle Völker zu Jüngern zu machen. Auch heute gehen die Nachfolger Jesu bis an die Enden der Erde, um das Evangelium zu verbreiten, und Buße und Vergebung der Sünden zu verkünden. Wir schaffen kleine Orte des verheißenen Landes, wenn wir uns als Gottes Bundesgemeinschaft versammeln, um seine Macht und Gegenwart zu erfahren.

Diese Bundesgemeinschaft ist ein vielfältiges, multiethnisches Volk aus allen Nationen, Stämmen und Sprachen, das unter der Herrschaft und dem Reich des Königs Jesus zusammenlebt. Obwohl wir jetzt Miterben Jesu sind, warten wir sehnsüchtig auf den endgültigen Tag der Erlösung, an dem wir dauerhaft in der Gegenwart Gottes in einem erneuerten Gartenparadies wohnen werden, frei von Sünde und Leid. Das Land, das Adam und Eva, und Israel erhielten und verloren, wies sicherlich auf dieses Land hin, aber das neu geschaffene Land wird den Garten und Kanaan in jeder Hinsicht übertreffen. Schließlich werden wir Jesus von Angesicht zu Angesicht sehen und in ununterbrochener Vertrautheit mit ihm und seinem Volk in vollkommener Bundestreue leben.

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